Deutsche Polizei nimmt bei Razzien rechtsextreme „Reichsbürger“ ins Visier – DW – 23.11.2023
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Deutsch Die Polizei durchsuchte das Eigentum von Verdächtigen, die mit der extremen Rechten in Verbindung stehen Reichsburger Bewegung, sagten Staatsanwälte am Donnerstag.
An den Durchsuchungen in acht Bundesländern beteiligten sich nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann rund 280 Polizisten.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft München wurden 20 Wohnungen von der Polizei durchsucht.
Die Durchsuchungen fanden in acht der 16 deutschen Bundesländer statt, wobei sich die Hälfte der durchsuchten Wohnungen in diesen befanden Südwesten Baden-Württembergs.
Nach Angaben der Staatsanwälte diskutierten die Verdächtigen ihre Pläne auf mehreren Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram, den deutsche Behörden seit Anfang 2021 überwachen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, die Beamten hätten bei den Razzien Schreckschusswaffen, Mittel zur Bekämpfung von Unruhen, Smartphones und Datenspeicher sichergestellt.
Er sagte, Mitglieder der Reichsbürger hätten staatliche Institutionen in den sozialen Medien beleidigt und „massiv bedroht“.
Am Donnerstag gab es keine neuen Festnahmen.
Die Reichsbürgerbewegung in Deutschland
Sie lehnen die Legitimität der deutschen Regierung ab. Einige sind bereit, Gewalt anzuwenden. Wer sind die Reichsbürger? Und was unternimmt Deutschland dagegen?
Bild: photo-alliance/chromorange/C. ohde
Was glaubt der Reichsbürger?
„Reichsbürger“ bedeutet übersetzt „Reichsbürger“. Die nebulöse Bewegung lehnt den modernen deutschen Staat ab und besteht darauf, dass die Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 oder 1871 immer noch bestehen und dass das moderne Land ein Verwaltungskonstrukt ist, das immer noch von den alliierten Mächten besetzt ist. Für Reichsbürger sind Regierung, Parlament, Justiz und Sicherheitsbehörden von Ausländern eingesetzte und kontrollierte Marionetten.
Bild: photo-alliance/SULUPRESS/MV
Der erste „Reichsbürger“ Wolfgang Ebel
Wolfgang Ebel behauptete als Erster, dass das Deutsche Reich weiterhin existierte. Der in West-Berlin ansässige Mitarbeiter arbeitete für die Berliner S-Bahn, die die DDR unter dem Namen „Deutsche Reichsbahn“ betrieb. Als er 1980 entlassen wurde, behauptete er, er sei eigentlich ein Reichsbeamter und könne nicht von einer Nachkriegsinstitution entlassen werden. Er verlor alle seine Fälle und wurde ein Radikaler.
Bild: photo-alliance/dpa/D. Ebenholz
Die Reichsbürger weigern sich, Steuern oder Bußgelder zu zahlen. Sie betrachten ihr persönliches Eigentum, etwa ihre Häuser, als unabhängige Einheiten außerhalb der Autorität der Bundesrepublik Deutschland und lehnen das deutsche Grundgesetz und andere Gesetzestexte ab, überschwemmen aber auch deutsche Gerichte mit Klagen. Sie erstellen ihre eigenen anspruchsvollen Dokumente wie Reisepässe und Führerscheine.
Bild: photo-alliance/Bildagentur-online/Ohde
Welche Bedrohung stellen sie dar?
Die Reichsbürgerszene begann in den 1980er-Jahren zu wachsen und ist eine heterogene, führerlose Bewegung, die nach Angaben deutscher Geheimdienstmitarbeiter mittlerweile etwa 23.000 Anhänger hat. Davon gelten etwa 950 als Rechtsextremisten und mindestens 1.000 verfügen über einen Waffenschein. Viele vertreten antisemitische Ideologien.
Bild: photo-alliance/dpa/R. Weihrauch
Wer sind seine Mitglieder? Einer war Herr Deutschland
Nach Angaben deutscher Behörden ist der durchschnittliche Reichsbürger ein Mann im Alter von 50 Jahren und sozial und finanziell benachteiligt. Die Mitglieder der Bewegung konzentrieren sich auf Süd- und Ostdeutschland. Adrian Ursache, ehemaliger Gewinner des Schönheitswettbewerbs Mister Germany, ist ebenfalls Reichsbürger und wurde 2019 wegen der Erschießung und Verletzung eines Polizisten zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
Bild: photo-alliance/dpa/H. Schmidt
Der Fall von Wolfgang P., der im Oktober 2017 wegen Mordes an einem Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, gilt als Wendepunkt im Umgang deutscher Behörden mit dieser Extremistengruppe. P., ein mutmaßliches Mitglied der Reichsbürger, erschoss Polizisten, die sein Haus durchsuchten, um Waffen zu beschlagnahmen. Der Fall erregte internationale Aufmerksamkeit und löste Besorgnis über die Eskalation der Gewalt aus.
Bild: photo-alliance/dpa/D. Karmann
Was unternehmen die Behörden dagegen?
Den deutschen Behörden wird vorgeworfen, die Bedrohung lange unterschätzt zu haben. Im Jahr 2017 dokumentierten deutsche Inlandsgeheimdienste erstmals extremistische Straftaten von Reichsbürgern. Seitdem fanden mehrere Razzien gegen Reichsbürger-Ziele statt und Untergruppen wurden verboten. Auch Polizei und Bundeswehr untersuchten, ob sie Reichsbürger in ihren eigenen Reihen hatten.
Bild: photo-alliance/dpa/P. Zink
Internationale Parallelen, Verschwörungstheorien
Man sah Reichsbürger, die russische Flaggen schwenkten, was zu dem Vorwurf führte, sie würden von Russland finanziert, um die deutsche Regierung zu destabilisieren. Die deutschen Reichsbürger werden auch mit amerikanischen Gruppen wie den „Free Men on the Ground“ verglichen, die glauben, nur an die Gesetze gebunden zu sein, denen sie zustimmen, und sich daher unabhängig von Regierung und Rechtsstaat erklären zu können.
Bild: DW/D. Vachedin
Anführer Heinrich XIII., Fürst Reuss
Der Prinz war der Anführer der Reichsbürger-Anhänger, die im Jahr 2022 einen Putsch planten. Er verlor mehrere Gerichtsverfahren, in denen es darum ging, verlorenes Land und Eigentum zurückzugewinnen, und bekräftigte dann öffentlich die Überzeugung, dass die derzeitige Demokratische Bundesrepublik keine gültige Grundlage habe, und verbreitete damit viel Antisemitismus Klischees und schlug die Wiedereinsetzung des gegen den Willen des Volkes abgesetzten Kaisers vor.
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