Deutschland drängt auf strengere Tech-Vorschriften – EURACTIV.de

Der deutsche Gesetzgeber drängt auf strengere Verpflichtungen für Online-Plattformen in anstehenden EU-Rechtsvorschriften, da er befürchtet, dass dies zu schwächeren Regeln führen wird als ihr derzeitiger nationaler Rahmen. EURACTIV Deutschland berichtet.

Deutschland hat die Zähmung der Tech-Giganten bereits 2017 mit der erstmaligen Verabschiedung des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ​​zu einer seiner obersten Prioritäten gemacht. Das NetzDG hat einen ähnlichen Anwendungsbereich wie das Digital Services Act (DSA) der EU, da beide Gesetze Verpflichtungen für den Technologiesektor einführen.

Das deutsche Recht erlegt Online-Plattformen strenge Verpflichtungen auf und zwingt zum Beispiel diejenigen mit mehr als zwei Millionen Nutzern, ihre Social-Media-Plattformen auf illegale Inhalte und Hassreden zu scannen und diese gegebenenfalls zu entfernen. Da das DSA derzeit auf EU-Ebene diskutiert wird, befürchtet die deutsche Politik, dass die EU-Verordnung die Bestimmungen des NetzDG aufweicht.

„Für die EVP und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist seit Beginn der Verhandlungen klar, dass die Regelungen des Digitaldienstegesetzes das Schutzniveau des deutschen NetzDG keinesfalls unterschreiten dürfen“, sagte Hansjörg Durz . , ein CDU/CSU-Abgeordneter, gegenüber EURACTIV.

Das NetzDG enthalte in einigen Bereichen „viel weitergehende Pflichten für Plattformen hinsichtlich der Entfernung rechtswidriger Inhalte und Zugänglichmachung für Nutzer als der bisherige DSA-Entwurf“, so Anwältin Joséphine Ballon von der NGO HateAid.

Besonders hervorzuheben sind die strengen Fristen des NetzDG für die Entfernung rechtswidriger Inhalte auf Online-Plattformen.

Nach deutschem Recht müssen offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden entfernt werden, bei unklareren Inhalten beträgt die Frist eine Woche. „In der DSA sind solche Fristen für Löschungen bisher nicht vorgesehen, aber sie wären dringend nötig“, sagte Ballon.

„Overlock“-Probleme

Aber die sehr engen Fristen des NetzDG für die Entfernung illegaler Hasspostings werden von einigen auf EU-Ebene als kritisch angesehen.

Patrick Breyer, Berichterstatter des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments, lehnt die Aufnahme von Löschpflichten in das DSA ab. Dies würde „globale Internetunternehmen wie Facebook zu schnellen Zensoren und Richtern von Recht und Unrecht machen“, sagte Breyer gegenüber EURACTIV.

Auch im eigenen Revier ist das NetzDG nicht unumstritten.

So kritisierte beispielsweise der deutsche Bundestagsabgeordnete Mario Brandenburg von der FDP die „zunehmende Privatisierung der Strafverfolgung“ und nannte das NetzDG einen „politischen Irrweg“.

Breyer sagte, der Bundestagsausschuss fordere „eine ‚sofortige Überprüfung‘ ohne starre Frist für alle Anbieter“, um den Einsatz fehleranfälliger Upload-Filter zu verhindern.

Kritiker sagen, dass die engen Fristen für die Entfernung illegaler Inhalte zu „Overblocking“ führen könnten – der ungerechtfertigten Entfernung legaler Inhalte. Befürworter einer strengeren Regulierung halten derweil die Befürchtungen vor „Overblocking“ zumindest teilweise für übertrieben.

Solche Befürchtungen lassen sich laut HateAid-Anwalt Ballon nicht durch Erfahrungen mit NetzDG bestätigen. Im Gegenteil, es gebe Hinweise darauf, dass „Underblocking weiterhin gängige Praxis ist“, fügte Ballon hinzu.

Zimmermann seinerseits sagte, es gebe „keine empirischen Beweise“, dass „Overblocking“ ein Problem sei, zumal das NetzDG auch ein Widerlegungsverfahren vorsehe, um „unrechtmäßige Löschungen“ zu verhindern.

„Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass die Erfahrungen, die in den Mitgliedstaaten bereits vorhanden sind, nicht auch auf europäischer Ebene genutzt werden“, sagte Ballon.

Zersplitterung

Auf deutscher Seite sagen politische Entscheidungsträger, dass das NetzDG den Weg für europäische Vorschriften zur Beendigung von Hass und Belästigung in sozialen Medien bereitet hat.

Durz bezeichnete das NetzDG als „Modell“ für die DSA, während Zimmermann sagte, die Europäische Kommission habe in ihren Vorschlägen im Wesentlichen „auf den deutschen Erfahrungen aufgebaut“.

Der Abgeordnete Breyer weist unterdessen auf nationale Maßnahmen wie das NetzDG als Hauptgrund für die Einführung des DSA hin, da die Fragmentierung die Notwendigkeit erhöhe, „die Vorschriften für digitale Dienste zu vereinheitlichen“.

Unterdessen sagte eine Sprecherin der Kommission gegenüber EURACTIV, dass sich die EU-Länder nun darauf konzentrieren sollten, das DSA so bald wie möglich einzuführen, um die „Fragmentierung des EU-Binnenmarkts“ zu vermeiden.

Darüber hinaus warnte eine Quelle innerhalb der Kommission, dass „unkoordinierte Maßnahmen“ der Mitgliedstaaten zu regulierten digitalen Diensten – wie dem NetzDG – nicht nur „Rechtsunsicherheit schüren“ würden. Die Quelle sagte gegenüber EURACTIV auch, dass eine solche Fragmentierung letztendlich großen Online-Plattformen zugute kommen würde, da sie die höheren Compliance-Kosten in einem fragmentierten europäischen Rechtsraum leichter tragen könnten als kleinere Unternehmen.

Auch die FDP-Abgeordnete Katharina Willkomm kritisierte die Entstehung eines nationalen Flickenteppichs. „In keinem anderen Bereich macht eine einheitliche europäische Regulierung so viel Sinn wie beim Internet, das im Prinzip grenzenlos ist“, sagte sie und wies darauf hin, dass die großen Plattformen „europäisch oder weltweit aktiv“ seien.

SPD-Abgeordneter Zimmermann betonte jedoch, NetzDG und DSA seien keine Konkurrenz, sondern komplementär. „Nach Verabschiedung des DSA werden wir sehen, welche Änderungen für das NetzDG erforderlich sind und ob alle Vorschriften so beibehalten werden können“, fügte er hinzu.

[Edited by Luca Bertuzzi and Benjamin Fox]

Körbl Schreiber

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