Ist das die schlimmste deutsche Regierung der Geschichte?

Vor einem Jahr hat die sogenannte Ampelkoalition aus Sozialdemokraten (SPD), die Grünen und die Liberalen (FDP) gebildet. Mit der Wahl von Olaf Scholz (SPD) zum Bundeskanzler ging gleichzeitig die 16-jährige Ära von Angela Merkel (CDU) zu Ende. Merkels Vermächtnis war für die Ampelkoalition schon im Vorfeld ein erheblicher Nachteil: Allen war klar, dass das Vakuum, das Merkel und ihre Partei hinterlassen, nur schwer zu füllen sein würde.

Ein Jahr später bittere Feststellung: Die neue Regierung hat es nicht geschafft, die Lücke zu füllen. Schlimmer noch, die Kluft ist im laufenden Jahr immer größer geworden. Ein großes Loch ist entstanden, das kaum bald geschlossen werden kann. Die aktuelle Entwicklung in Deutschland ist rückläufig. Ob politisch oder wirtschaftlich, national oder international. Die Ampelkoalition ist auf allen Ebenen gescheitert. Es ist daher nicht übertrieben, die Regierung von Olaf Scholz als die schlechteste deutsche Regierung der Geschichte zu bezeichnen.

Von Adenauer bis Brandt über Merkel

Natürlich wirkt die Formulierung auf den ersten Blick sehr dramatisch. Und eine Aussage muss immer durch schlüssige Argumente begründet werden. Vor allem, wenn eine so kühne Aussage gemacht wird. Als erstes muss man sich die Vorgänger dieser Regierung ansehen. Dieser Punkt muss nicht einmal im Detail erklärt werden, um das Versagen der jetzigen Regierung sofort zu erkennen.

Was repräsentierten die Altkanzler? Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der BRD, damals Westdeutschland, stand zwischen 1949 und 1963 für Deutschlands westliche Integration und europäische Einigung. Adenauer, auch Außenminister, setzte sich mit seiner strikten antikommunistischen Politik vehement für die Nato-Mitgliedschaft Deutschlands ein.

Ein weiterer einflussreicher deutscher Bundeskanzler war Willy Brandt (SPD). Während des Kalten Krieges war Brandt Regierungschef (1969-1974) und ist vor allem für seine damalige sogenannte „neue Ostpolitik“ bekannt. Anders als Adenauer verfolgte Brandt einen Entspannungskurs gegenüber den Ländern des Ostblocks. Große Symbolkraft erlangte diese Politik mit Brandts berüchtigtem Kniefall in Warschau 1970.

Helmut Kohl (CDU) war von 1982 bis 1996 Bundeskanzler, das bis heute das umfangreichste Kanzleramt ist. Er war einer der führenden Köpfe der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 und hat die europäische Integration bis hin zur Europäischen Union maßgeblich vorangetrieben. Gerhard Schröder (1998-2005), der einzige Altkanzler, der draußen lebte Angela Merkel, ist bekannt für seine auf Europa ausgerichtete Politik. Seine Distanz zu den Vereinigten Staaten zeigte sich am besten, als sich Deutschland, Frankreich und Russland 2003 gegen den Krieg im Irak stellten. Sein Verhältnis zum Russen Wladimir Putin ist bis heute eng, weshalb Schröder aus der deutschen Politik ausgeschlossen wurde, auch von seiner Partei, seit Beginn des Ukrainekrieges.

Und dann ist da noch Angela Merkel, die Deutschland und ganz Europa zwischen 2005 und 2021 dank ihres exzellenten Krisenmanagements relativ stabil halten konnte. Ob Eurokrise, Flüchtlingskrise, Brexit, der Aufstieg rechtsextremer Parteien oder die russische Krim-Annexion 2014: Merkel hat es geschafft, den Kontinent Europa anders als heute relativ ruhig zu halten.

Keine Strategie, keine Ahnung

Nach der kurzen Einführung kommen wir nun zur aktuellen Ampelkoalition. Wie steht die aktuelle Regierung im Vergleich zu ihren Vorgängern da? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns ansehen, wofür die Bundesregierung steht. Über die Nachrichten und die damit verbundenen Entwicklungen, insbesondere international, lässt sich klar sagen: Diese Regierung hat keine Strategie und keine Ahnung.

Der Krieg in der Ukraine wird hier als Parameter zur Bewertung der deutschen Regierung herangezogen. Nach dem Beginn der russischen Invasion entschied sich Deutschland sofort für eine harte Linie, anstatt eine durchdachte Strategie zu planen. Deutschland beteiligte sich an den Sanktionswellen gegen Russland, ohne darüber nachzudenken, wie sich dies auf seinen stärksten Indikator, die Wirtschaft, auswirken würde.

Die Folgen waren absehbar: Die Inflation stieg und die wirtschaftliche Entwicklung stagnierte. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das Projekt Nord Stream 2 wurde abgebrochen. Vor allem wegen des Drucks der Amerikaner. Deutschland verlor damit seine außenpolitische Autonomie. Während frühere Regierungen Deutschland zu einem einflussreichen Akteur gemacht haben, hat die aktuelle Regierung um Olaf Scholz dieses Potenzial komplett ausgeblendet. Statt Diplomatie entschied sich Deutschland für Konfrontation. Auch das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Regierung ist innerhalb eines Jahres drastisch gesunken. Das Böse hat sich erledigt.

Heuchelei, Irrationalität

Aber wie können wir einer Regierung vertrauen, bei der Außenministerin Analena Baerbock deutlich macht, dass sie nicht in ihrem Interesse handelt? Beim „Forum 2000“ in Prag im September sagte Baerbock stellvertretend für das ukrainische Volk: „Wir werden für Sie da sein, solange Sie uns brauchen … was auch immer meine deutschen Wähler denken.“

Bundeskanzler Scholz versucht derweil, seine Fehler wiedergutzumachen. Mit seiner neuen China-Politik, in der er enge Beziehungen zu den ASEAN-Staaten aufbauen will, will er Deutschland wieder auf Kurs bringen. Mit Katar wurde eine Vereinbarung zur Normalisierung der Energiepreise getroffen. Deutschland will auch die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien vertiefen.

Aber was ist mit den respektierten Menschenrechten? Warum wurde Russland erneut sanktioniert? Diese beiden letztgenannten Länder sind nicht gerade vorbildlich im deutschen Demokratieverständnis. Saudi-Arabien führt im Jemen schon viel länger einen Angriffskrieg als Russland. Daher die einfache Frage: Warum hat die Bundesregierung die Beziehungen zu Russland abgebrochen und im Gegenzug die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien vertieft? Aber gerade Saudi-Arabien hat sich jetzt den besten Partner ausgesucht. Frau Baerbock sind die Menschen im Jemen wahrscheinlich auch egal.

Entscheidungen wurden nicht rational getroffen. Russland ist für Deutschland aus regionalen und historischen Gründen ein viel wichtigeres Land als die Länder, mit denen Deutschland seine Beziehungen nun vertiefen will. Die diplomatischen Beziehungen zu Moskau müssen mit großer Sensibilität geführt werden. Sanktionen gegen Russland waren ein Schuss ins Bein. Die einzige Folge war eine zunehmende Instabilität auf dem europäischen Kontinent. Die Regierung hat zerstört, wofür ihre Vorgänger jahrzehntelang gearbeitet haben, nämlich Deutschland wieder zu einem einflussreichen Akteur in der Weltpolitik zu machen.

* Masterstudent in Europe and International Affairs an der Türkisch-Deutschen Universität

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Ebert Maier

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