Ein vertrauter Anblick ist aus der nächtlichen Kölner Skyline verschwunden. Der Dom der Stadt, Deutschlands meistbesuchte Touristenattraktion, ist nachts nicht mehr beleuchtet. Der Umzug ist eines der sichtbarsten Anzeichen dafür, dass eine massive Energiekrise droht, da die Lieferungen aus Russland aufgrund seiner Invasion in der Ukraine schwinden.
„Noch besteht kein Grund zur Panik, aber wir müssen uns auch auf einen akuten Ernstfall vorbereiten“, sagte Andrea Blome, Leiterin des offiziellen Kölner Krisenstabs Energie.
„Natürlich sparen wir jetzt in erster Linie Strom, weil die Wärme im heißen Sommer nicht so gefragt ist. Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf die Beleuchtung: Das Fußballstadion ist inklusive, der Dom ist inklusive und die Altstadt Hall und die Rheinbrücken sind inklusive. Abends um 23 Uhr werden dort alle Lichter ausgeschaltet“, sagte sie.
Die Stadt schaltet jetzt nachts an mehr als 130 öffentlichen Gebäuden das Licht aus, und auch die Straßenlaternen werden ab 23 Uhr gedimmt. Köln spart Geld, um den Energieverbrauch um die geplanten 15 % zu senken – eine Vorgabe der Europäischen Union.
Die Deutschen duschen kürzer, kochen weniger
Am Montag erfuhren die deutschen Verbraucher, wie viel Benzin sie in den Wintermonaten zusätzlich zahlen müssen. Der Wintergaszuschlag, der ab Oktober für deutsche Haushalte und Gewerbetreibende gilt, wurde auf 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgesetzt. Wirtschaftsminister Robert Habeck schätzte, dass die Steuer am Ende „mehrere hundert Euro pro Haushalt“ pro Jahr kosten werde.
Vor zwei Monaten warnte Habeck, dass Deutschland vor einem harten Herbst und Winter stehe. Er forderte die Öffentlichkeit auf, weniger zu baden, nur fünf Minuten zu duschen und die Nutzung von Klimaanlagen insgesamt einzuschränken.
Alexander Zeeh, Geschäftsführer des Sanitär-Giganten Grohe Deutschland, sagte der DW, dass die Nachfrage nach wassersparenden Geräten in den letzten Wochen stark gestiegen sei. Insbesondere für Duschköpfe und Waschbecken.
Umfragen zeigen, dass die Deutschen die Botschaft verstanden haben: solidarisch mit der Ukraine, aber vor allem, um den eigenen Geldbeutel zu schonen. Im ganzen Land duschen die Menschen bereits kürzer und kälter, reduzieren den Stromverbrauch ihrer Computer und Telefone und ersetzen gekochtes Mittagessen durch kalte Snacks.
Dringend gesucht: Energieberater
Die meistgesuchten Personen in ganz Deutschland scheinen derzeit Energieberater zu sein. Celia Schütze ist eine der 13.000 Beraterinnen des Landes. Sie hat vor 10 Jahren die Bonner Energieagentur gegründet und ist heute deren Geschäftsführerin.
Im ersten Quartal 2022 habe die Agentur ein um 70 % höheres Anfragevolumen als üblich gehabt, danach könne sie diese nicht mehr nachverfolgen. Längst sind sie von Einzelberatungen zu Gruppentreffen übergegangen, in denen sie die Grundlagen der Photovoltaik präsentieren, zur Gebäudedämmung beraten und alles über Wärmepumpen erklären. In der Regel besteht immer eine Warteliste von mindestens zwei Monaten.
Schütze sagte: „Dazu gehört ein Gefühl der Hilflosigkeit. Viele Menschen haben zunächst keine Ahnung, wo ihr größter Verbrauch liegt. Sie wissen nicht, wo sie anfangen sollen Heizung ist modern und effizient, aber das stimmt überhaupt nicht, denn jede Gasheizung nutzt auch fossile Brennstoffe.
Energiesparmöglichkeiten in jedem Haus
Schütze erzählt lachend von einem Zeichentrickfilm, den sie neulich gesehen hat: Eine Menschenmenge, die vor einer Tür steht und darauf zu warten scheint, dass gleich ein VIP, ein Promi, die Schwelle betritt. Endlich taucht ein Energieberater auf, mit Terminen immer frei. Doch die Satire weist auf ein gravierendes Problem hin, nämlich dass es mittlerweile an allen Fronten an Energieexperten mangelt.
Für Privatpersonen empfiehlt Schütze zunächst einmal, sich mit allem zu befassen, was nicht täglich genutzt wird und dennoch Energie verbraucht. Dann machen Sie einfache Schritte wie „Heizung nur ein Grad herunterdrehen, das spart 6 % des Energieverbrauchs“.
Klimaneutralitätsziele müssen im Vordergrund stehen
Das langfristige Ziel, sagt Celia Schütze in all ihren Beratungen, sei die Klimaneutralität. Bonn hat sich wie viele andere Städte zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu sein, also weg von Kohle, Öl und Gas. Kann ganz Deutschland das Gleiche tun?
Auf die Frage, was sie Energieminister Robert Habeck sagen würde, der nach einem geplanten Kohleausstieg auf die Kohle zurückgekehrt ist, antwortet Schütze: „Ich würde mir wünschen, dass mehr Wert auf Dämmung und Energieeffizienz gelegt wird. Leider haben sich gerade die Förderbedingungen für Gebäudesanierungen verschlechtert. Es ist unglücklich. Schließlich ist die Sanierung eine sehr gute Gelegenheit, Wärmepumpen effizient zu installieren und zu betreiben. Und es wäre logisch, solche Beratungsstellen stärker institutionell zu unterstützen, seien es regionale Energieverbände, Agenturen oder Verbraucherzentralen. »
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.
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