BERLIN – Ein starker Aufstieg der extremen Rechten verunsichert die politische Klasse Deutschlands und löst Sorgen vor den bevorstehenden Regionalwahlen sowie allgemeines Unbehagen über die Rechte in Europa aus.

Die Unterstützung für die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) ist im vergangenen Jahr stetig gewachsen und stieg laut Umfragedurchschnitt von 10 % im vergangenen Juni auf heute 18 %. Länder, die in der POLITICO-Umfrage analysiert wurden.

Allein in den letzten drei Monaten verzeichnete die AfD einen Zuwachs von vier Prozentpunkten und ist damit nun die drittstärkste politische Kraft, direkt hinter den Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz auf Platz zwei und dem größten Mitte-Rechts-Oppositionsblock CDU/CSU auf Platz eins. .

Zwei aktuelle Umfragen von Insa Und Infrarot-DimapMit 19 bzw. 18 Prozent lag die AfD sogar gleichauf mit den Sozialdemokraten von Scholz.

Experten und Politiker schlagen in Berlin und darüber hinaus Alarm, insbesondere angesichts der schmerzhaften rechtsextremen Geschichte Deutschlands. Beamte aus dem Umfeld von Scholz befürchten, dass die rechtspopulistische, einwanderungsfeindliche und den Klimawandel leugnende Partei an Dynamik gewinnt.

„Diese Umfrageergebnisse sollten alle Demokraten beunruhigen“, sagte Ricarda Lang, Co-Vorsitzende der deutschen Grünen, gegenüber POLITICO.

Bei einer Debatte der deutschen Tageszeitung „Zeit“ am vergangenen Wochenende sprach Scholz von Zeiten des Umbruchs und der Unsicherheit, „und damit auch von einer Plattform für Parteien, die [relying on] negative Gefühle, lobe die Vergangenheit.

Migration, Energie, Wirtschaft

Analysten sagen, dass die Regierungskoalition Deutschlands – bestehend aus Scholz‘ Mitte-Links-Sozialdemokraten, Grünen und wirtschaftsfreundlichen Freien Demokraten – einen Großteil der Schuld trägt.

„Die Arbeit der Bundesregierung wird zunehmend kritisch gesehen“, sagte Stefan Merz vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap. „Der ständige Streit zwischen den Regierungsparteien führt dazu, dass die Menschen die Orientierung und das Vertrauen in die Regierung verlieren.“

Seit mehr als zwei Monaten ist die Bundesregierung in einen schweren Streit zwischen den Koalitionspartnern über ein umstrittenes Ökostromgesetz verwickelt, das die problematische Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen durch ein Verbot neuer Gas- und Ölheizungsanlagen in Gebäuden ab 2024 beseitigen soll.

Die wachsende Zahl von Asylbewerbern hat zusätzlich zum Aufstieg der extremen Rechten beigetragen. Von Juni letzten Jahres bis März dieses Jahres übertraf die Zahl der Asylanträge in Deutschland die Zahl doppelt bei etwa 25.000 pro Monat. Auch wenn das weniger ist als auf dem Höhepunkt der Migrationskrise im Jahr 2016, als bis zu 89.000 Menschen pro Monat in Deutschland Asyl suchten, bleibt Einwanderung ein hochbrisantes Thema.

„Für AfD-Anhänger ist Einwanderung das wichtigste Thema, für das sie die AfD wählen wollen. Sie wollen weniger Einwanderung – oder am liebsten gar keine“, sagte Merz.

Besonders auffällig ist der Aufstieg der extremen Rechten in den östlichen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen, in denen im nächsten Jahr Wahlen stattfinden und in denen die AfD derzeit die Umfragen anführt. Rechtsextreme und linksextreme Parteien erfreuen sich in den Bundesländern der ehemaligen DDR großer Beliebtheit – denn trotz der Wiedervereinigung verzeichnen sie nach wie vor niedrigere Beschäftigungsquoten und wirtschaftliche Entwicklung.

Scholz, der zunehmend kritisiert wird, weil er zu wenig getan hat, um den monatelangen Streit in seiner Regierungskoalition zu beenden, argumentierte in der Fernsehdebatte, dass verschiedene Faktoren zu „unglaublicher Sorge und Unsicherheit“ in der Bevölkerung beigetragen hätten, was die Krise befeuert habe Aufstieg der extremen Rechten.

„Wir haben gerade die Coronavirus-Pandemie durchgemacht, die unglaublich viele Störungen verursacht hat […] Und gerade als er endete, begann Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine“, sagte die Kanzlerin und brachte damit eine Energiekrise und Inflation mit sich.

Friedrich Merz, der Vorsitzende der größten Oppositionspartei CDU/CSU, warf der Regierungskoalition und „insbesondere den Grünen“ den Aufstieg der extremen Rechten in den Umfragen an diesem Wochenende vor.

Lang von den Grünen forderte alle Seiten dazu auf, nicht mehr gegeneinander zu kämpfen. „Die AfD nutzt die Unsicherheit und schürt Ängste zu ihrem eigenen Vorteil – gegen die Interessen des Volkes.“ Um dem entgegenzuwirken, sollten alle demokratischen Parteien nach innen schauen, „anstatt mit dem Finger aufeinander zu zeigen und sich in einseitigen Vorwürfen zu verlieren.“ Denn es stärkt nur die AfD.

„Letztendlich trägt jede Partei die Verantwortung“, sagte sie.

Christian Dürr, der 46-jährige FDP-Fraktionsvorsitzende, sagte gegenüber POLITICO, er halte nichts von Schuldzuweisungen. Auf die Frage, ob die Kontroverse um das Ökostromgesetz zum Aufstieg der AfD beigetragen habe, antwortete er: „Die koalitionsinterne Debatte um das Heizgesetz ist Teil des demokratischen Diskurses.“

Warnschild in Europa

Generell ist der Aufstieg der extremen Rechten in der größten Volkswirtschaft der EU ein Weckruf darüber, wie eine ins Stocken geratene Reform der Einwanderungsbestimmungen, wirtschaftliche Probleme und hohe Inflationsraten – sowie die kostspielige Einführung grüner EU-Politik – populistische Tendenzen ankurbeln können. und Anti-Establishment-Parteien.

Unter anderen EU-Ländern ist die extreme Rechte auch in Österreich stark, wo die Freiheitliche Partei Österreichs mit 27 % die Umfragen anführt; Frankreich, wo die Nationale Rallye mit 24 % den zweiten Platz belegt; und Schweden, wo die Schwedendemokraten mit 18 % auf dem dritten Platz liegen. In Spanien, wo am 23. Juli nationale Wahlen stattfinden, liegt die rechtsextreme Partei Vox in den Umfragen mit 16 % auf dem dritten Platz.

Und in Italien ist die extreme Rechte bereits an der Macht: Giorgia Meloni und ihre italienischen Brüder wurden im vergangenen Oktober die ersten rechtsextremen Führer in dem Mittelmeerland seit dem Zweiten Weltkrieg.

Doch der Aufstieg der extremen Rechten in Deutschland verlief besonders rasant – und angesichts der Geschichte des Nazi-Faschismus in Deutschland auffällig.

„Plötzlich gibt es einen Ort, an dem rechte Einstellungen (von denen wir wissen, dass sie in Deutschland schon lange existieren) und eine breite Unzufriedenheit mit allen Parteien zusammenkommen“, sagte Professor Thorsten Faas gegenüber POLITICO. in Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.

„Genau das dient der AfD gerade: sich als Partei zu präsentieren, in der Protest und Unzufriedenheit gut aufgehoben sind, egal in welcher Krise wir uns gerade befinden“, fügte Faas hinzu.

Dürr erinnerte daran, dass die rechte AfD vom Verfassungsschutz überwacht werde. Die AfD „verneige sich vor Putin“ und habe keine Vorstellung von „konstruktiver Politik und Verbesserung des Lebens der Menschen“, fügte er hinzu.

Wie neutralisieren Mainstream-Parteien also die Bedrohung durch rechtsextreme Politiker? Laut Scholz werde es seiner Koalition „gelingen“, die extreme Rechte einzudämmen, indem sie „mutig ein Problem nach dem anderen löst“.

Lang sagte: „Es ist an der Zeit, dass wir zusammensitzen und nachdenken: Wie kann jede Partei Teil einer Strategie gegen die AfD sein?“