Wie Deutschland seine Armee lieben lernt – POLITICO

Doch zur Zeit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 betrugen die Verteidigungsausgaben 2,5 Prozent des BIP, und die Streitkräfte zählten 500.000 Mann. Als die sowjetischen Truppen aus der DDR abzogen, wünschten sich die Wähler eine Friedensdividende. Wenn so viel Geld benötigt wird, um die marode Wirtschaft und Infrastruktur des Ostens wiederzubeleben, warum sollte man es dann für die Verteidigung ausgeben? Warum eine Karriere bei den Streitkräften in Betracht ziehen, die von manchen moralisch mit Bismarcks Preußen oder sogar dem Dritten Reich gleichgesetzt wird? So konnte die Armee unter der Führung der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel verkümmern.

Natürlich würden Jahrzehnte dieses gut gemeinten, aber letztendlich selbstzerstörerischen Idealismus nicht über Nacht verschwinden. Es dauerte lange, bis die Wahrheit ans Licht kam und die politische Klasse Berlins begriff, dass Putin Spielchen mit dem Westen spielte und dass Verhandlungen ihn nur ermutigen würden. Schon am Vorabend der Invasion in der Ukraine hegten einige deutsche Beamte Wunschdenken und säten Zweifel an den Warnungen amerikanischer Geheimdienste.

Auch heute noch hören wir bei Abendessen oder Kunstabenden manchmal Sesselpazifisten, die erklären, dass dies alles nicht passiert wäre, wenn der Westen nicht so kriegerisch gewesen wäre. Bei einer Veranstaltung musste ich ein Quartett ertragen, das Stings „Russians“ spielte. Doch für die überwiegende Mehrheit ist diese Einstellung inzwischen verschwunden, was zu einem großen Teil Pistorius' hartnäckiger Ehrlichkeit gegenüber den Bedrohungen für Deutschland – und den militärischen Schwächen des Landes – zu verdanken ist.

„Die Ernennung von Pistorius im Januar 2023 wurde zunächst als enttäuschend empfunden“ | Sean Gallup/Getty Images

Darüber hinaus hat der Vorschlag des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, Putin zu einem Angriff zu ermutigen, um europäische Länder dafür zu bestrafen, dass sie nicht genug für die Verteidigung ausgeben, einen letzten Weckruf ausgelöst. Pistorius warnte schnell und forderte die Deutschen auf, sich auf den Krieg vorzubereiten. Kürzlich wandte er sich in einer Rede vor einer Militärakademie in Hamburg direkt an die Wähler: „Sind wir ernsthaft bereit, dieses Land zu verteidigen?“

Das Problem sei jedoch, wie er als Erster zugibt, dass die Bundeswehr noch nicht einmal annähernd bereit sei. Die Truppenstärke ist auf ein Allzeittief von 180.000 gesunken, und etwa 20.000 neue Rekruten werden lediglich benötigt, um diejenigen zu ersetzen, die jedes Jahr das Land verlassen – und noch weniger, um die Truppenstärke auf ein Niveau zu bringen, das einer ernsthaften Verteidigung des Landes gewachsen ist.

Über die Wiedereinführung der 2011 abgeschafften Wehrpflicht wird nachgedacht – allerdings sind die Chancen dafür gering. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Einbürgerungsanträge für Bewerber, die sich bereit erklären, zu dienen, zu beschleunigen. Angesichts der Toxizität der Migrationsdebatte erscheint dies jedoch auch unwahrscheinlich.

Das größte Problem ist mittlerweile der Verfall der militärischen Ausrüstung. Vor Kurzem war nur die Hälfte der Flotte militärischer Transportflugzeuge, Tornados und Eurofighter kampfbereit. Alle sechs U-Boote waren außer Gefecht. Und Soldaten klagen über einen Mangel an Waffen und Munition oder sogar an Thermounterwäsche, um den extremen Winterbedingungen standzuhalten.

Ebert Maier

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