Das bedeute, dass die deutsche Regierung sowohl in einer sehr starken Finanzlage als auch in gefährlich eingeschränkten Möglichkeiten mit ihrem Geld sei, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.
„Deutschland hat viel mehr fiskalischen Spielraum als fast jedes andere Land – es kann es sich einfach nicht leisten, ihn zu nutzen.“ Unsere Schulden sind niedrig, unser Defizit ist angemessen. „Unsere Schulden sind im Verhältnis zum BIP eher rückläufig“, sagt er.
„Dennoch stecken wir in einer Schuldenbremse fest, die vor 10 oder 15 Jahren noch logisch erschien, heute aber keinen Sinn mehr ergibt. »
Während Deutschland sich seiner Besonnenheit rühmt, wurde die Koalitionsregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz ebenso wie die Partei von Emmanuel Macron bei der Europawahl schlecht behandelt.
Die Sozialdemokratische Partei (SPD) von Scholz liegt mit knapp 14 % der Stimmen auf dem dritten Platz, die Grünen mit 11,9 % auf dem vierten Platz. Die Liberaldemokratische Partei (FDP), die die Koalition vervollständigt, erhält etwas mehr als 5 % der Stimmen. Die Christdemokraten (CDU) – die Partei der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel – belegten mit 30 % der Stimmen den ersten Platz, gefolgt von der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD), die fast 16 % der Stimmen erhielt.
Das machte die Spannungen in der Koalitionspolitik im Vorfeld der Haushaltseinigung letzte Woche noch schmerzhafter als sonst.
Letztendlich einigten sich die Parteien auf eine Haushaltsvereinbarung, die strenge Regeln für die Kreditaufnahme beibehält und gleichzeitig versucht, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, indem mehr Menschen dazu angeregt werden, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten und Migranten beim Eintritt in den Arbeitsmarkt unterstützt werden.
Ein Grund, warum es für Deutschland keinen Sinn mehr macht, an seiner fiskalischen Zwangsjacke festzuhalten, ist nach Ansicht von Ökonomen die neue Bedrohung, der Europas größte Volkswirtschaft nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ausgesetzt ist.
Es gibt aber auch andere finanzielle Zwänge.
Die Alterung der deutschen Bevölkerung belastet die öffentlichen Finanzen und führt zu steigenden Renten- und Gesundheitsausgaben. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Erwerbstätigen, nicht nur im Verhältnis zur Bevölkerung, sondern auch in absoluten Zahlen.
Die UN gehen davon aus, dass die Zahl der Menschen im Alter von 20 bis 69 Jahren im Land zwischen 2020 und Mitte der 2030er Jahre um rund fünf Millionen oder fast ein Zehntel zurückgehen wird.
„Neigt zu Apathieanfällen. Bierevangelist. Unheilbarer Kaffeesüchtiger. Internetexperte.“