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Neun Männer und Frauen standen am Dienstag in Frankfurt vor Gericht. Sie wurden beschuldigt, einen Plan zum Sturz der deutschen Regierung geplant zu haben. Es handelte sich um einen Aufsehen erregenden Fall, der das Ausmaß aufdeckte, in dem QAnon-Verschwörungstheorien in die Welt der extremen Rechten des Landes eingedrungen sind.
Den im Dezember 2022 festgenommenen Verdächtigen wird vorgeworfen, einer terroristischen Vereinigung anzugehören oder diese zu unterstützen, die einen Angriff auf den Deutschen Bundestag, die Festnahme von Abgeordneten und das Ende der politischen Nachkriegsordnung im Land plante. Im Falle eines Schuldspruchs drohen ihnen zwischen 10 und 15 Jahre Gefängnis.
Die Staatsanwälte identifizierten die Rädelsführer der Gruppe als Prinz Heinrich XIII. Reuss, einen Immobilienmakler aus einer Adelsfamilie, und Rüdiger von Pescatore, einen ehemaligen Oberstleutnant und Fallschirmjägerkommandeur. Zur Gruppe gehört auch eine ehemalige Abgeordnete der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland, Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann.
Den größten Teil des ersten Verhandlungstages verbrachte Staatsanwalt Tobias Engelstetter mit der Lektüre der 617 Seiten umfassenden Anklageschrift, in der er eine Verschwörung schilderte, die zeitweise so weit hergeholt schien, dass sie auf der Zuschauertribüne Verwunderungsschreie hervorrief.
Die Staatsanwälte sagten, die Verschwörer teilten eine „tiefe Ablehnung“ des liberalen demokratischen Systems des Landes, glaubten fest an die QAnon-Verschwörung und teilten die Ansichten der „Reichsbürger“-Bewegung, die die Nachkriegsordnung Deutschlands nicht anerkenne.
Laut Engelstetter basiert die Weltanschauung der Verschwörer auf der Vorstellung, dass Deutschland von Mitgliedern eines „tiefen Staates“ kontrolliert wird, der eine Reihe von „unterirdischen Militärstützpunkten“ betreibt. In diesen Stützpunkten werden Kinder misshandelt, getötet und aus ihren Körpern ein besonderes Verjüngungselixier hergestellt.
Nach dieser Theorie steht der Deep State im Gegensatz zu einer geheimen Vereinigung namens Alliance, die die Armeen, Regierungen und Geheimdienste verschiedener Staaten, darunter der Vereinigten Staaten und Russlands, zusammenbringt, die versprochen haben, Deutschland zu befreien.
Die Verschwörer, so die Staatsanwaltschaft, erwarteten von der Allianz ein Signal, das den „Tag X“ ankündigte, was wiederum als Auslöser für den Putsch der Reuss-Gruppe dienen würde. Einige von ihnen dachten, dass der Tod von Königin Elizabeth im Vereinigten Königreich im September 2022 ein solches Signal sei.
Berichten zufolge haben sie einen Rat und einen Militärflügel gebildet, die bereit sind, die Macht zu übernehmen, sobald das derzeitige Regime gestürzt ist, und haben eine Kriegskasse von 500.000 Euro und ein riesiges Arsenal an Schusswaffen angehäuft.
Den Verdächtigen sei bewusst gewesen, so die Staatsanwaltschaft, dass ihr Versuch, die Macht zu übernehmen, „das Töten von Menschen beinhalten würde“, und sie hätten Listen von „Feinden“ zusammengestellt, die nach dem Putsch verhaftet und wahrscheinlich getötet würden.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten die Verschwörer bereits entschieden, welche Rolle sie in der Regierung spielen wollten, die sie nach der Machtübernahme bilden wollten, wobei Prinz Reuss als Staatsoberhaupt und Malsack-Winkemann als Leiter des Justizministeriums vorgesehen waren.
Einer der seltsamsten Elemente der Anklage betrifft die Beziehungen der mutmaßlichen Verschwörer zu zwei Brüdern in der Schweiz. Die als Sandro und Claudio R. identifizierten Geschwister erhielten nach Angaben der Staatsanwaltschaft riesige Geldsummen, um die Gruppe mit illegalen Waffen zu versorgen. Die Brüder sollten den Verschwörern auch helfen, den Eingang zu den „tiefen unterirdischen Militärstützpunkten“ zu finden, damit die dort festgehaltenen Kinder befreit werden konnten. Sie taten weder das eine noch das andere.
Der Fall, der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in einem Nebengebäude des Frankfurter Oberlandesgerichts stattfindet, hat die Reichsbürger ins Rampenlicht gerückt, eine extremistische Bewegung, deren Mitglieder glauben, dass das Deutsche Reich von 1871-1945 noch existiert. Sie erkennen die Gesetze und Institutionen des Nachkriegsdeutschlands nicht an, stellen eigene Pässe und Stempel aus und weigern sich, von den örtlichen Behörden verhängte Geldstrafen zu zahlen.
Die Reichsbürger, die von der Bevölkerung lange Zeit als eine Bande harmloser Exzentriker galten, sollen rund 23.000 Mitglieder haben und nach Angaben des deutschen Inlandsgeheimdienstes eine „große Affinität“ zu Waffen aufweisen.
Als Zeichen für das Ausmaß und die Komplexität des Falles finden verschiedene Prozesse in Stuttgart, Frankfurt und München statt.
Ende April wurde in Stuttgart ein Prozess gegen den mutmaßlichen Militärzweig der Reuß-Gruppe eröffnet. Beteiligt sind mehrere ehemalige höhere Offiziere der Bundeswehr. Einem der in Stuttgart vor Gericht stehenden Verdächtigen wird vorgeworfen, bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im März 2023 Polizisten tödlich erschossen zu haben, außerdem wird ihm versuchter Mord vorgeworfen.
Das Verfahren gegen die weniger bekannten mutmaßlichen Mitglieder beginnt am 18. Juni in München.
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