Ein Vorschlag, dass Deutschland den direkten Versand von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine vermeiden und die Waffen stattdessen an das Vereinigte Königreich oder Frankreich schicken würde, wurde am Donnerstag von mehreren führenden deutschen Politikern lächerlich gemacht.
Quellen zufolge würde der Vorschlag die Entsendung von in Deutschland hergestellten Taurus-Marschflugkörpern nach Großbritannien oder Frankreich beinhalten, im Austausch dafür, dass diese verbündeten Länder mehr ihrer Sturmschattenraketen in die Ukraine schicken.
Die Idee „zeigt die Schwäche“ der Kanzlerin Olaf Scholz durch die Unterstützung der Ukraine, sagte Grünen-Politiker Anton Hofreiter am Donnerstag der dpa.
Der Vorschlag sende eine klare Botschaft: „Großbritannien kann seine Versprechen halten, Deutschland jedoch nicht“, sagte Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses des Deutschen Bundestages.
Die Ukraine sucht seit Monaten dringend nach Taurus-Raketen, doch Scholz blockierte deren Lieferung an die Ukraine, offenbar aus Angst, die hochleistungsfähigen Waffen könnten von ukrainischen Streitkräften zum Angriff auf sensible russische Ziele eingesetzt werden und so die Angriffe verschärfen. Spannungen zwischen Deutschland und Russland.
Ukrainische Beamte haben wiederholt darauf bestanden, dass sie die Raketen nur zum Angriff auf militärische Ziele in der von Russland besetzten Ukraine einsetzen würden.
Das Handelsblatt berichtete unter Berufung auf ungenannte Diplomaten und Regierungsvertreter, dass Großbritannien Deutschland bereits vor einigen Wochen angeboten habe, der Ukraine neue Storm Shadow-Raketen zu schicken, aber keine Antwort aus Berlin erhalten habe.
Großbritannien und Frankreich haben bereits Storm Shadow-Raketen in die Ukraine geliefert. Erst vor wenigen Tagen kündigte der französische Verteidigungsminister Sébastian Lecornu die Lieferung von 40 weiteren Raketen dieses Typs an.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius dementierte in einem Interview mit der Bild-Zeitung Kenntnis von dem Austauschvorschlag: „Wenn es darüber Diskussionen gibt, liegt das nicht in meinem Ministerium.“
Weder das britische noch das französische Verteidigungsministerium waren am Donnerstag auf dpa-Anfrage bereit, auf den Bericht zu antworten.
Scholz stößt innerhalb seiner eigenen Koalition auf zunehmende Kritik wegen seiner Weigerung, Raketen in die Ukraine zu schicken. Besonders kritisch äußerten sich Politiker der Grünen und der Freien Liberaldemokraten (FDP).
Hofreiter sagte, der vorgeschlagene kreisförmige Austausch wäre besser als gar nichts, aber die in Deutschland hergestellten Taurus-Raketen seien weitaus leistungsfähiger als die anglo-französischen Storm Shadow und seien weit weniger anfällig für elektronische Gegenmaßnahmen.
Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Parlaments, Marie-Agnès Strack-Zimmermann, lehnte den Vorschlag kategorisch ab.
„Die Ukraine braucht den Stier, und zwar jetzt“, sagte sie dem Handelsblatt. „Storm Shadow ist kein gleichwertiger Ersatz. In dieser Hinsicht ist der Vorschlag nicht geeignet.“
Roderich Kiesewetter, ein führender außenpolitischer Vertreter der Mitte-Rechts-Oppositionspartei CDU, bezeichnete die Idee als „peinlich“ für Deutschland und als klaren Widerspruch zum deutschen Führungsanspruch in Europa.
„Wenn Deutschland den Vorschlag annimmt, ist das auch ein Zeichen mangelnden Vertrauens in die Ukraine“, betonte er. „Deshalb sollte Deutschland endlich direkt handeln, denn die Unterstützung der Ukraine mit Taurus dient auch unserer eigenen Sicherheit, verhindert eine Massenflucht und eine Ausweitung des Krieges.“
Lediglich Andreas Schwarz, SPD-Politiker von Scholz, zeigte sich offen für den Austausch: „Wenn die Ukraine das nutzt, dann ist das sicherlich eine Option im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.“
Es wird erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf einem von Scholz einberufenen Gipfel nächste Woche über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine diskutieren werden, der andere EU-Länder öffentlich zu mehr Militärhilfe aufgefordert hat.
In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview äußerte Scholz seinen Unmut über die Kritik Deutschlands an seinen Waffenlieferungen, während das Land – die bevölkerungsreichste und größte Volkswirtschaft der EU – bei der Gesamthilfe für die Ukraine hinter den Vereinigten Staaten zurückbleibt.
„Es irritiert mich eher, dass ich in Deutschland ständig mit der Kritik konfrontiert werde, dass die Regierung zu wenig tue und zu zögerlich sei. Und doch tun wir mehr als alle anderen EU-Staaten, viel mehr“, sagte Scholz gegenüber der Zeit. „Deshalb telefoniere ich derzeit viel mit meinen Kollegen und fordere sie auf, mehr zu tun.“
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