Nächste Woche wird der deutsche Außenminister auch China besuchen. Zweifellos wird Annalena Baerbock als Grüne Scholz und Macron darin übertreffen, Tugend in Sachen Menschenrechte zu signalisieren.
Aber aus chinesischer Sicht wird sein Besuch, wie auch der ihre, nur die Tatsache unterstreichen, dass Xi weder einen wirtschaftlichen noch einen diplomatischen Preis für seine Brutalität bezahlt hat. Wenn China seine Drohung mit einer Invasion Taiwans wahr machen würde, hätte es von einem Europa, in dem Berlin den Ton angibt, wenig zu befürchten.
Warum also hat Deutschland immer noch eine so giftige Beziehung zur Autokratie? Die kurze Antwort lautet: Weil das der Preis der deutschen Wiedervereinigung war.
Die Frage mag provokativ, ja sogar beleidigend erscheinen, angesichts der stolzen Bilanz der Bundesrepublik, Demokratie und Menschenrechte zu unterstützen.
Außer unter Neonazi-Randgruppen gibt es keine Nostalgie für das Dritte Reich. Doch viele ehemalige Ostdeutsche fühlen sich als Bürger zweiter Klasse und manche sehnen sich nach den Gewissheiten der kommunistischen Ära.
Russische militärische, politische und kulturelle Dominanz ist eine junge deutsche Erinnerung. Für sie endete die sowjetische Besatzung erst vor einer Generation.
Dass die Bundesrepublik die DDR gewaltlos übernehmen konnte, galt als Wunder, ermöglicht durch Michail Gorbatschows Zurückhaltung gegenüber militärischer Gewalt. Das Gegenstück dazu war die desaströse Ostpolitik von Gerhard Schröder und Angela Merkel, die Deutschland von russischer Energie abhängig und praktisch wehrlos machte.
Die Neue Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik von Katja Hoyer, hinter der Wanderklärt, dass Stalin kein geteiltes Deutschland wollte, sondern ein neutrales und entmilitarisiertes Deutschland.
Der Kalte Krieg geschah, weil der Westen sich nicht mit der deutschen Neutralität zufrieden geben wollte. Die Berliner Mauer, eine sichtbare Manifestation dieses Kampfes, fiel, sobald die Russen auf Stalins Ambitionen verzichteten und akzeptierten, dass Deutschland und damit Mitteleuropa zum Westen gehören.
Aber einige Russen haben sich nie mit dem Verlust der Ukraine abgefunden. Anders als die Deutschen wissen die Polen, worum es geht. Vor einem Jahrhundert sagte Marschall Pilsudski: „Ohne eine unabhängige Ukraine kann es kein unabhängiges Polen geben“.
Präsident Selenskyj hat letztes Jahr Großbritannien und letzte Woche Polen besucht, aber Deutschland muss er noch besuchen. Wenn er das tut, wird er die Deutschen sicherlich noch einmal daran erinnern, dass Putin tatsächlich die Berliner Mauer in der Ukraine wiedererstehen ließ.
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