AfD: Deutsche schlagen Verbot der nach Skandal gewählten rechtsextremen Partei vor

  • Von Jessica Parker
  • BBC-Korrespondent in Berlin

Bildquelle, BBC/Jenny Witt

Legende,

Tausende Demonstranten versammelten sich am Freitag in Hamburg, als die Deutschen zunehmend alarmiert über rechtsextreme Enthüllungen wurden.

Deutschland befindet sich in einer möglicherweise explosiven Debatte darüber, ob die rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) verboten werden soll.

Die Deutschen waren schockiert über die Enthüllungen, dass hochrangige Beamte an einem Treffen teilnahmen, bei dem über Massenausweisungen gesprochen wurde.

Eine wachsende Gegenreaktion hat zu weit verbreiteten Protesten und öffentlicher Verurteilung geführt.

Die bundesweit weiterhin auf Platz zwei liegende AfD behauptet, von ihren Gegnern skandalös diffamiert zu werden.

„Die Panik breitet sich aus. Wir spüren Ihre Angst“, sagte der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann diese Woche vor Politikern der Regierungsparteien.

Es handelte sich um ein investigatives Medium Correctiv, die einen brisanten Bericht veröffentlichte über ein „geheimes“ Treffen in einem Hotel in der Nähe von Berlin im November mit rund 20 Personen, darunter hochrangige AfD-Funktionäre und Neonazi-Influencer.

Mindestens zwei Mitglieder der Mitte-Rechts-CDU, der Partei der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, würden ebenfalls anwesend sein, heißt es von Parteifunktionären.

Im Mittelpunkt der Diskussionen soll die sogenannte „Remigration“ stehen, also die Ausweisung von Millionen Asylbewerbern, „nicht assimilierten“ Menschen und Menschen „nichtdeutscher“ Herkunft, auch wenn sie über ein Aufenthaltsrecht verfügen und Staatsbürgerschaft.

Bildquelle, CLEMENS BILAN/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Legende,

AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel verurteilte Gerüchte über ein Parteiverbot

Seit seiner Veröffentlichung hat der Bericht große Anti-AfD-Kundgebungen ausgelöst, unter anderem in Berlin, Köln und Hamburg, und an diesem Wochenende finden weitere statt.

Polizei und Organisatoren sagten ersten Schätzungen zufolge, dass am Samstag landesweit mindestens 300.000 Menschen an Protesten teilgenommen hätten.

Rund 35.000 Menschen marschierten in Frankfurt, dem Finanzzentrum des Landes, und ebenso viele demonstrierten in Dortmund im Westen des Landes.

Mindestens 50.000 Menschen versammelten sich am Freitag in der Hamburger Innenstadt, um die Botschaft des Mitte-Links-Bürgermeisters Peter Tschentscher an die AfD zu hören: „Wir sind geeint und entschlossen, unser Land und unsere Demokratie nicht zum zweiten Mal seit 1945 zerstören zu lassen.“

Viele Protestteilnehmer zeigten sich schockiert über den geplanten Ausschluss und besorgt über die Stärke der AfD.

„Ich fühle mich bedroht und habe bereits vor, Deutschland zu verlassen. Ich fühle mich hier nicht mehr wohl“, sagte ein deutscher Staatsbürger, dessen Familie aus Lateinamerika stammt.

Das ganze Wochenende über wird es voraussichtlich in rund 100 Städten Demonstrationen geben. laut deutschen Medienmit Demonstrationen am Sonntag in Berlin, München, Köln, Dresden, Leipzig und Bonn.

Bundeskanzler Olaf Scholz bedankte sich bei den „Zehntausenden“ Demonstranten und warnte, dass etwaige Ausweisungspläne „einen Angriff auf unsere Demokratie und damit auf uns alle“ seien.

Legende,

Der Anti-AfD-Protest am Freitag in Hamburg war der bislang größte, doch auch in anderen Städten finden an diesem Wochenende Demonstrationen statt

Die Reaktion der AfD-Führung war eine kämpferische Gegenargumentation, gepaart mit Distanzierungsbemühungen von der Kontroverse. Es sei eher ein privates als ein geheimes Treffen gewesen und nicht von der Partei organisiert worden, beharren sie.

„Natürlich gehört jeder, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, zu unserem Volk“, sagte Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD und ihr bekanntestes Gesicht.

„Gerade deshalb sollte der deutsche Pass nicht jedem gegeben werden.“

Sie verurteilte jede Idee eines Verbots ihrer Partei sowie die Berichterstattung, die zu einer Wiederbelebung dieser Debatte geführt habe.

„Es ist ein Skandal, dass linke Aktivisten mit Stasi-Methoden eine private Versammlung angreifen, um seriöse Bürger auszuspionieren.“

Doch inzwischen hat sich Frau Weidel merklich von ihrem wichtigsten Mitarbeiter Roland Hartwig, der zu den Teilnehmern gehörte, getrennt.

Der österreichische rechtsextreme Aktivist Martin Sellner, dem zuvor die Einreise nach Großbritannien verweigert wurde, soll den „Masterplan“ für Massenabschiebungen vorgelegt haben.

Es hätte Einzelheiten zur Umsiedlung von Menschen in einen „Modellstaat“ in Nordafrika enthalten, der Platz für bis zu zwei Millionen Menschen bieten könnte.

Herr Sellner hat zuvor die Idee der „Rückwanderung“ vor allem für Migranten propagiert, die er als „Belastung“ ansieht. In Kommentaren auf YouTube sagte er jedoch, dass die Idee erst auf der Durchreise durch Potsdam aufgekommen sei und dass sie dann „umgewandelt“ worden sei ein Masterplan zur Vertreibung durch die Lügenpresse“.

Als Reaktion auf diese Berichte forderten 25 sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete eine Überprüfung des Verbots der AfD, insbesondere ihrer „extremistischen“ Landesverbände.

Bildquelle, Ina FASSBENDER /AFP

Legende,

Trotz Forderungen nach einem Verbot liegt die AfD bundesweit mit über 20 % in den Umfragen auf dem zweiten Platz.

Doch bei Juristen und Politikern herrscht Skepsis.

„Ein Verbot macht keinen Sinn“, sagt Verfassungsexperte Dr. Horst Meier, der es für rechtlich möglich, aber unklug hält.

„Der Wettbewerb zwischen den Parteien muss auf der politischen Bühne stattfinden und nicht vor Gericht“, sagte er der BBC.

Im deutschen Grundgesetz heißt es, dass Parteien, die die „freiheitliche und demokratische Grundordnung“ aushöhlen oder abschaffen wollen, als verfassungswidrig anzusehen sind.

Im Westdeutschland der 1950er Jahre wurden zwei Gruppen aufgelöst: die rechtsextreme Reichssozialistische Partei und die kommunistische KPD, doch spätere Prozesse gegen die neonazistische NPD scheiterten.

2003 urteilten Richter, dass die Unterwanderung der NPD durch deutsche Geheimdienste den Sachverhalt getrübt habe, 2017 wurde die Bewegung als zu unbedeutend beurteilt.

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck beschuldigte diese Woche die AfD, Deutschland in einen autokratischen Staat nach russischem Vorbild umwandeln zu wollen, was von manchen als stillschweigende Unterstützung eines Verbots gewertet wurde.

Doch im Gespräch mit der Zeitschrift Stern gab er zu, dass ein gescheiterter Versuch „massiven“ Schaden anrichten würde.

Bildquelle, CLEMENS BILAN/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Legende,

Berichte über ein geheimes Treffen, bei dem Massendeportationen besprochen wurden, wurden mit Nazi-Plänen für den Holocaust verglichen.

Auch der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei äußerte sich vorsichtig: „Wir müssen uns eine andere Frage stellen.“

„Wenn eine Partei wie die AfD so hohe Ergebnisse erzielt, muss das Gründe haben. Es hat keinen Sinn, Wähler zu beleidigen“, sagte er.

Alternative für Deutschland erzielte in einem wichtigen Wahljahr einen Rekordumfrageerfolg und belegte den zweiten Platz hinter der CDU und vor allen drei Koalitionsparteien; die Sozialdemokraten, die Grünen und die Freien Demokraten.

Ihr Aufstieg fällt mit der Unzufriedenheit der Wähler über die geteilte Regierung sowie mit politischen Fragen wie Lebenshaltungskosten und Einwanderungsniveau zusammen.

Die AfD hofft auf große Fortschritte bei der Europawahl im Juni und könnte bei der Wahl im kommenden September in den drei östlichen Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg sogar stärkste Partei werden.

Jeder Versuch eines Verbots birgt erhebliche politische Gefahren und rechtliche Hürden.

Allerdings versprach die deutsche Innenministerin Nancy Faeser, „alle verfügbaren Instrumente zu nutzen“, um die Demokratie zu verteidigen.

Die AfD bestreitet Rassismus, steht aber bereits unter Beobachtung und wurde vom Inlandsgeheimdienst in Sachsen, Thüringen und dem Nachbarland Sachsen-Anhalt als rechtsextreme Organisation eingestuft.

Berichte über das Treffen ziehen Vergleiche mit dem Nazi-Plan von 1940, vier Millionen Juden nach Madagaskar zu deportieren, und mit der Wannsee-Konferenz von 1942, auf der hochrangige Beamte die „Endlösung“ planten – den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung Europas.

„Diejenigen, die von Rückeroberung und Remigration träumen, verlassen sich auf dieselben Ideen, die den Weg für die unmenschlichen Rassengesetze der Nazis ebneten“, sagte Nancy Faeser.

Ein Parteiverbot sei „das schärfste Schwert, das es gibt“, und sie schloss den Einsatz nicht aus, allerdings nur als letzten Schritt.

Zusätzliche Berichterstattung von Jenny Witt in Hamburg.

Willi Langer

„Neigt zu Apathieanfällen. Bierevangelist. Unheilbarer Kaffeesüchtiger. Internetexperte.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert