Die Diskussionen über den künftigen deutschen Strommarkt werden hitziger, da alle Parteien auf wichtige Analysen der Netzbetreiber warten und Drohungen aus Brüssel drohen, die Gebotszone für den Großhandelsmarkt des Landes aufzuteilen.
Derzeit zahlen alle Deutschen den gleichen Preis für Strom, egal ob sie im windreichen Norden oder im kohleabhängigen Industriesüden leben.
Doch der Veränderungsdruck nimmt zu. Während Frankreich auch für Privatkunden einen einheitlichen Stromtarif anwendet, berechnen andere große europäische Länder wie Italien oder Schweden den Strom je nach Standort.
Kleinere Strompreiszonen gelten als wirtschaftlich effizienter, da sie lokale Gegebenheiten widerspiegeln, beispielsweise die Verfügbarkeit von Stromerzeugungskapazitäten oder Netzinfrastruktur.
Beispielsweise ist das energiehungrige deutsche Bayern, das seit jeher Windparks und Stromleitungen auf seinem Territorium ablehnt, auf Windkraft aus dem Norden des Landes angewiesen. Dies führt zu Netzengpässen und Übertragungsverlusten, deren Kosten alle deutschen Stromverbraucher tragen müssen.
Die Position Deutschlands im Zentrum Europas hat auch auf EU-Ebene Anlass zur Kritik gegeben, da das unterdimensionierte Netzwerk des Landes zu Spannungen mit benachbarten EU-Mitgliedstaaten führt.
Tatsächlich Der enorme Strombedarf in Süddeutschland hat zu „Loop Flows“ in ganz Polen geführtDie deutschen Transportkapazitäten reichen nicht aus, um die Nachfrage zu decken. Dies beeinträchtigte auch die Fähigkeit Polens, Strom beispielsweise nach Tschechien zu transportieren.
Die EU-Energieregulierungsbehörde ACER hat es versucht Den politischen Konsens in Frage stellen Letztes Jahr schlug er vor, den deutschen Großhandelsmarkt in mehrere Gebotszonen aufzuteilen.
Norden gegen Süden
Dem Vorschlag von ACER folgend, startete Norddeutschland – wo ein Großteil der Windkraft des Landes installiert ist – eine Offensive, um den deutschen Strommarkt bis Ende 2022 aufzuspalten.
„Wenn ich dort wohne oder produziere, wo die Energie auch produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein“, sagte Olaf Lies, damals Energieminister von Niedersachsen, einem nördlichen Bundesland an der Nordseegrenze.
Unterstützt wurde Lies von seinem Kollegen Reinhard Meyer aus Mecklenburg-Vorpommern, einem kleinen nördlichen Bundesland. „Die Höhe der Stromnetzentgelte belastet die Endverbraucher und benachteiligt den Wirtschaftsstandort Norddeutschland“, stellte er fest.
Beide stammen aus die Sozialdemokratische Partei (SPD) von Bundeskanzler Olaf Scholz, der selbst aus der nördlichen Stadt Hamburg stammt.
Als Reaktion darauf haben sich die süddeutschen Bundesländer zusammengeschlossen und eine Initiative ins Leben gerufen Gemeinsame Verlautbarung darauf bestehen, dass a Die einheitliche Stromtarifzone sei „ein zentraler Ausdruck des einheitlichen deutschen Wirtschaftsraums“. Die Erklärung wurde von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen unterzeichnet.
Insgesamt argumentieren die Südstaaten, dass größere Märkte mit größeren Gebotszonen die Marktliquidität verbessern und daher effizienter seien. Bayern verweist auch häufig auf die neun Milliarden Euro, die es jährlich an andere weniger wohlhabende Bundesländer zahlt.
Kein Deal in Berlin
In Berlin zögerte Vizekanzler Robert Habeck, dessen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für Energiefragen zuständig ist, in den Ring zu steigen.
Habeck „hat bereits mehrfach betont, dass die Schaffung einer neuen Ausschreibungszone für ihn derzeit keine Priorität hat und wir daher keine Debatte über eine Aufteilung der Ausschreibungszone führen. Angebote“, teilte das Ministerium mit.
Habecks Grüne Partei ist in dieser Frage gespalten, während die SPD die Aufforderung von EURACTIV zur Stellungnahme ablehnte.
Die wirtschaftsfreundliche FDP befürwortet inzwischen eine Spaltung, hat aber weniger Einfluss in der Dreiparteien-Regierungskoalition. „Marktbasierte Preissignale sind wichtig, um verbraucherfreundliche Strompreise zu ermöglichen und die Netzauslastung zu optimieren. „Eine einheitliche Preiszone für ganz Deutschland kann dieses Ziel nur bedingt erreichen“, sagte Michael Kruse, FDP-Energiesprecher.
Grüne und FDP einigen sich jedoch auf eine schnelle Lösung: Die Netzentgelte an den Vernetzungsgrad und die Stromerzeugungskapazität einer Region anzupassen.
A Werkstattbericht des Habeck-Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz heißt es: „Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr Vorschläge vorlegen, wie die Kosten der Energiewende gleichmäßiger verteilt werden können.“Hinzu kommt, dass Verbraucher in Regionen mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien häufig höhere Netzentgelte zahlen. Die FDP sollte diesen Vorstoß unterstützen.
Die Brüsseler Intervention steht bevor
Da Deutschland über die Strompreisreform uneinig ist, sind alle Augen nun auf die vier deutschen Netzbetreiber gerichtet, von denen erwartet wird, dass sie im nächsten Jahr einen wichtigen Bericht zu diesem Thema veröffentlichen.
Im Frühjahr 2024 werden die vier Netzbetreiber des Landes – TenneT, 50 Hertz, TransnetBW und Amprion – voraussichtlich einen Bericht vorlegen, in dem sie die Empfehlung der europäischen Agentur ACER zur Aufteilung der deutschen Ausschreibungszone prüfen.
Der Bericht der deutschen Netzbetreiber wird zusammen mit ihren mitteleuropäischen Pendants von den Regierungen der Nachbarländer Deutschlands geprüft, die sechs Monate Zeit haben, um gemeinsam über eine mögliche Neuausrichtung zu entscheiden. Zu diesen Ländern gehören Österreich, Belgien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Ungarn, die Niederlande, Polen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. (Luxemburg ist in die deutsche Anwendungszone integriert).
Gelingt es diesen Ländern nicht, eine Einigung zu erzielen, wird die Kommission als letztes Mittel und nach Rücksprache mit ACER beschließen, die Konfiguration der Gebotszone innerhalb von sechs Monaten zu ändern oder beizubehalten.
Die Elektrizitätsverordnung von 2019 ermächtigt die EU-Exekutive tatsächlich, langfristige strukturelle Engpässe anzugehen, um die wirtschaftliche Effizienz und den Stromhandel zwischen Ausschreibungsgebieten zu maximieren.
„Rechtlich hätte es in Deutschland schon längst zwei Preiszonen geben müssen, aber die Europäische Kommission ist politisch nicht stark genug“, erklären Holger Schneidewindt, Experte für Energierecht bei der Verbraucherschutzbehörde NRW.
Mit der Zeit würde jede Intervention Brüssels in die Zuständigkeit der neuen Europäischen Kommission fallen, die nach den Europawahlen 2024 gebildet wird.
Doch schon jetzt signalisiert Berlin seine Zurückhaltung gegenüber einer Einmischung der Europäischen Kommission in ihren langjährigen Konsens über Auktionszonen für Strom.
„Europa kann nicht einseitig eine Aufteilung der deutschen Strompreiszone beschließen“, sagte Ingrid Nestle, energiepolitische Sprecherin der Grünen.
In Brüssel sagen Beamte, sie könnten den Ergebnissen der laufenden Überprüfung der Gebotsgebiete nicht vorgreifen.
Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass es der Europäischen Kommission gelingt, eine Ausschreibungszone aufzuteilen. Nach jahrelangem Druck verließ Österreich 2018 die deutsche Ausschreibungszone und wurde zu einer einheitlichen Strompreiszone.
Aber eine Spaltung Deutschlands oder Frankreichs aufzuzwingen, wäre politisch ein ganz anderes Spiel.
„Die Kommission wäre sehr mutig, das zu tun“, scherzte ein Energie-Insider in Brüssel.
[Edited by Frédéric Simon and Alice Taylor]
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