Deutschland: Holz lagern aus Angst vor Gasknappheit | Geschäft | Wirtschafts- und Finanznachrichten aus deutscher Sicht | DW

Erst als Christian Rösgen sein Handy ausschaltet, beruhigt sich das Sägewerk. Der Besitzer dieses Sägewerks in einer kleinen Stadt in der Nähe von Bonn in Westdeutschland nimmt seinen Helm ab und beginnt Geschichten von Deutschen zu erzählen, die Holz aus Angst vor der drohenden Energiekrise aufgrund des Krieges in der Ukraine lagern. Ein Kunde hat gerade seine nagelneue Gasheizung gegen einen Pelletofen getauscht, um unabhängig zu sein; Rösgens Lieferant, die Pelletsfabrik, ist ausverkauft. Komprimierte Sägemehlpellets werden jetzt noch heiß direkt in Lieferwagen gepumpt. Die Fabrik kann mit der Produktion kaum Schritt halten.

Holzpellets sind eine energieeffizientere Biomasse

Rösgen erzählte der DW diese Geschichten nur einen Tag, nachdem der deutsche Wetterdienst den Hitzerekord des Landes für dieses Jahr bekannt gegeben hatte – 40 Grad Celsius. Aber auch bei diesen Temperaturen stellen sich die Deutschen auf einen kalten Winter ein.

Die Holzindustrie auf Hochtouren

Fast die Hälfte der Haushalte in Deutschland wird mit Gas beheizt. Seit Russland Krieg in der Ukraine führt, ist die Treibstoffversorgung jedoch unzuverlässig geworden. Der Preis ist in die Höhe geschossen und Lieferkürzungen durch die strategisch wichtige Pipeline Nord Stream 1 bleiben ungelöst.

Infografik Beheizungsstruktur Wohnraum 2021 DE

Nur ein Bruchteil der deutschen Haushalte heizt mit Holz

Kunden sagen Ofenbauer Günter Meurer, dass sie im Winter nicht frieren wollen. Die Nachfrage nach Kaminöfen hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt und Meurer tut sich schwer, mitzuhalten. Neue Kunden rufen an und er muss sie am Ende des Winters ausliefern. Die Lieferzeiten einiger Hersteller verlängern sich bereits bis zum nächsten Sommer.

Die Nachfrage sei um 30-40 % gestiegen, sagte Alexis Gula, Vorsitzender des Deutschen Schornsteinfegerverbandes (ZIV). Die Kunden seines Betriebes in der Nähe von Stuttgart erklären ihm, warum sie auf Holz zum Heizen setzen.

„Vor ein oder zwei Jahren wollten sie es gemütlich haben und etwas mehr Wärme haben“, sagt er der DW. „Heute geht es um die Sicherung der Energieversorgung.“

Die Deutschen haben ein eigenes Wort für Versorgungssicherheit – Versorgungssicherheit – was mit der Angst einhergeht, von etwas nicht genug auf Lager zu haben. Während der Pandemie machen sich die Deutschen Sorgen um ihre Toilettenpapierversorgung. Jetzt ist es Holz.

Der Deutsche Brennholzverband schätzt, dass rund 80 % des in Deutschland verbrannten Holzes aus dem Land stammt. Holzpellets für Kaminöfen werden aus den Abfallprodukten der immer noch boomenden Bauindustrie hergestellt.

Der Gaspreis könnte sich bis Anfang 2023 verdreifachen, sagte der Vorsitzende der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, vergangene Woche den deutschen Medien RND. In diesem Zusammenhang ist das Heizen mit Holz deutlich günstiger. Doch der Preis pro Kilowattstunde Brennholz ist seit vergangenem Herbst gestiegen, weil die Nachfrage seit einiger Zeit steigt.

Subventionen kurbeln die Holznachfrage an

Um die Klimakrise abzumildern, hilft die Bundesregierung Hausbesitzern bei der Finanzierung von Renovierungen, die ihre Häuser energieeffizienter machen. Die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen hat ihr Bekenntnis zur Förderung von energieeffizienten Gebäuden zum Jahresbeginn 2021 erneuert. Wer eine Ölheizung durch eine Heizung mit Biomasse – darunter auch Holzpellets – ersetzt, kann sich wehren 45 % der Kosten werden vom Staat erstattet. Seit Jahresbeginn wurden fast 60.000 neue Anfragen für Biomasseanlagen im System registriert.

Neben der öffentlichen Förderung und dem Krieg in der Ukraine nennt Schornsteinfeger Gula einen weiteren Grund für den Boom im Ofenbau: Ab 2024 gelten neue Emissionsvorschriften und „viele Öfen müssen noch ersetzt werden“, sagte Gula.

Das Verbrennen von Holz stellt ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar

Weil beim Verbrennen von Holz so viele Partikel emittiert werden, dürfe Biomasse laut Umweltbundesamt überhaupt nicht mehr zum Heizen verwendet werden. „Holzheizungen emittieren etwa 1.000 Mal mehr Partikel als Gasheizungen“, sagt Marcel Langner von der Regierungsbehörde.

Knapp ein Fünftel der gesamten Feinstaubbelastung in Deutschland geht auf die Holzverbrennung in Privathaushalten zurück. Aber Kamine machen nur einen Bruchteil der Heizsysteme des Landes aus.

Infografik Ausgabe Heizen 2021

Die Holzverbrennung verursacht in Deutschland viel Luftverschmutzung

Da die Partikel eingeatmet werden, verursachen sie gesundheitliche Probleme wie Atemwegserkrankungen, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sagte Langner der DW.

Einmal emittiert, können sich kleine Partikel chemisch entwickeln und die Luft auch weit entfernt von ihrem Entstehungsort verschmutzen. Aber neue Technologien könnten die Feinverschmutzung reduzieren.

Cleveres Design reduziert Probleme mit Holz

Besonders wenn Nutzer falsch lüften oder Feuer machen, sammeln sich zusätzliche Schadstoffe an. „Menschliche Fehler kann ich mit automatischen Kontrollen ausschließen. Aber es wird trotzdem Emissionen geben“, sagt Ofenbauer Meurer. Um es zu reduzieren, könnten Kunden einen speziellen Filter installieren.

Marcel Langner vom Umweltbundesamt empfiehlt zentrale Lösungen: Fernheizwerke können Energie effizienter umwandeln und Staub filtern. In der Praxis fehlen solche Lösungen jedoch häufig.

Sägewerk Buchen in Sankt Augustin

Sägewerk Rösgen rationiert vorerst den Verkauf

Zurück im Sägewerk weiß Christian Rösgen Geschichten über schlechte Planung zu erzählen. Es gibt eine neue Wohnsiedlung, bei der er mit seinem Lastwagen zu jedem Haus einzeln fahren muss, weil niemand an eine zentrale Lösung gedacht hat. Und manchmal muss der Schlauch zum Pumpen der Pellets durch sehr kleine Fenster, über empfindliche Böden und durch Schlafzimmer geführt werden.

Um den Panikkäufen von Holz entgegenzuwirken, hat Rösgen kürzlich damit begonnen, den Verkauf zu rationieren. Jetzt können Kunden nur noch drei Kisten Holz auf einmal bestellen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch veröffentlicht.

Mareike Engel

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