In Deutschland wollen Chirurginnen, dass mehr Frauen zum Skalpell greifen

Eine Ärztin besuchte ihre Patientin nach der Operation jeden Tag fleißig in ihrem Krankenzimmer, doch die Patientin beschwerte sich: „Die ganze Woche kam kein Arzt!“

Katja Schlosser, Ärztliche Direktorin des Agaplesion-Krankenhauses Mittelhessen in Deutschland und Präsidentin des Verbands der Chirurginnen, gibt viele Beispiele dafür, wie es den wenigen Frauen, die als Chirurginnen arbeiten, in ihrem Beruf ergeht.

Während ihrer Karriere sei sie „die erste“ oder „einzige“ Frau gewesen, die die meisten Positionen innehatte, sagte sie.

Schwangere Chirurgen dürfen nicht mehr in den Operationssaal und könnten nur noch administrative Aufgaben erledigen, präzisiert sie.

„Der Weg an die Spitze, wo man selbstständig funktionieren und Entscheidungen treffen kann, ist für Frauen immer noch sehr steinig“, sagt Schlosser. „Der Beruf ist patriarchalisch.“

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind rund 70 % aller Studierenden der Humanmedizin Frauen. Allerdings studieren nur 20 % von ihnen eine Ausbildung zum Chirurgen, berichtet die Bundesärztekammer.

Damit das nicht so bleibt, gründeten Frauen vor drei Jahren in Marburg, einer Stadt rund 80 Kilometer nördlich von Frankfurt, den Verband der Chirurginnen.

Das erste Zoom-Treffen brachte 20 Frauen zusammen und durch Mundpropaganda wuchs der Kreis schnell.

Bald gab es zu viele Teilnehmer für eine WhatsApp-Gruppe, also erstellten die Frauen eine App. Heute hat der Verein fast 2.000 Mitglieder.

Der Verein organisiert Foren, in denen sich Chirurginnen austauschen, um Rat fragen, Tipps geben und sich vernetzen können. Darüber hinaus gibt es ein Mentoring-Programm und es werden auch einige Stipendien angeboten.

Es gibt ein Fehlerbehebungsteam und einen Nachtchat. „Dass es so durch die Decke geht, hätte ich nicht erwartet“, sagt Schlosser.

Ziel des Netzwerks sei es, „Frauen zu ermutigen, Risiken einzugehen“, präzisiert die Chirurgin. Seine eigene Erfahrung ist folgende: „Es hat keinen Sinn, immer mehr Fachwissen anzuhäufen. Man muss sich auch selbst promoten. »

Sie glaubt, dass es so wenige Frauen an die Spitze schaffen, weil es zu wenige Vorbilder für weibliche Chirurgen gibt.

Schlosser ist überzeugt, dass Frauen im Privatleben gut netzwerken können, im Beruf jedoch nicht so sehr.

Durch den Verein könnten Frauen andere Menschen treffen, deren Lebensweg dem ihren ähnlich sei, sagte sie.

Ziel des Vereins ist es auch, mehr Frauen für die Chirurgie zu begeistern und sie zu motivieren, auch in Krisenzeiten oder bei Kinderwunsch dabei zu bleiben.

Manchmal entstehen dadurch dauerhafte Freundschaften, sagt Schlosser – wie bei diesen beiden Chirurgen, die über das Netzwerk als Mentor und Mentee zusammengebracht wurden und sich dann im Kreißsaal zum ersten Mal trafen.

Dass Frauen gezielt in Netzwerken arbeiten, ist nicht neu. Der Deutsche Ärztinnenverband (DÄB) feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum. Seitdem habe sich für Frauen im Allgemeinen und für Ärztinnen in Deutschland enorm viel verändert, heißt es in dem Bericht.

So gibt das DÄB an, dass Teilzeitarbeit mittlerweile als Teil der Ausbildung anerkannt wird. Aber viele Probleme bleiben bestehen.

Im Bereich der Gesundheitspolitik fordert der DÄB familienfreundliche Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Praxen.

Außerdem werden mehr Frauen in Führungspositionen gefordert. Laut einer DÄB-Studie ist nur jede zehnte Führungsposition an universitären medizinischen Fakultäten mit einer Frau besetzt.

Mitglieder der Association of Women Surgeons betonen, dass sie nicht behaupten, Frauen seien bessere Chirurgen als Männer.

Allerdings: „Frauen können es tun [it] „Und niemand sollte Angst haben, sich einer Chirurgin anzuvertrauen“, sagt Schlosser.

Sie sagt, dass nicht nur männliche Kollegen, sondern auch einige Patienten weniger Vertrauen in Ärztinnen hätten.

Um diesen Überzeugungen entgegenzuwirken, hat der Verein Abzeichen mit der Aufschrift „Ich unterziehe mich einer ärztlichen Untersuchung“ anfertigen lassen.

Die Anstecknadeln, ein Symbol für Kompetenz und Inklusion, seien so beliebt, dass sie ständig neu aufgefüllt würden, sagt sie.

Professorin Katja Schlosser in ihrer Praxis im Agaplesion-Mittelhessen-Krankenhaus in Deutschland.  Christian Lademann/dpa

Professorin Katja Schlosser in ihrer Praxis im Agaplesion-Mittelhessen-Krankenhaus in Deutschland. Christian Lademann/dpa

Professorin Katja Schlosser am Operationstisch.  Christian Lademann/dpaProfessorin Katja Schlosser am Operationstisch.  Christian Lademann/dpa

Professorin Katja Schlosser am Operationstisch. Christian Lademann/dpa

Mareike Engel

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